EHEC und die Petersilie

EHEC geht in Deutschland um und Hamburg scheint das Epizentrum zu sein. Plötzlich droht auf unbestimmte Zeit eine ganze Nahrungsgruppe wegzufallen – niemand weiß, was man noch essen kann. Lauert EHEC auch auf Petersilie? Ich erwische mich dabei, wie ich mißtrauisch einen Kräutertopf beäuge und ihn dann doch wieder zurück ins Regal stelle. Wie Blei liegen Obst und Gemüse in den Läden und die Bauern pflügen gerade gesamte Ernten wieder unter.

Der wirtschaftliche Schaden ist unüberschaubar – aber was macht das ganze mit uns und unserem Verhältnis zu Essen? Bei den Lebensmittelskandalen der letzten Jahre gab es ja immer die Möglichkeit, sich auf die sichere Seite zu retten: Rinderwahnsinn? Toll, dass wir sowieso immer viel Geflügel gegessen haben. Hühnergrippe oder ein erschütternder Beitrag über Tiertransporte durch ganz Europa? Als Vegetarier kann man darüber stehen. Krebserregende Schadstoffe in Paprika beim Billig-Discounter um die Ecke? Gut, dass man so häufig im Bioladen gekauft hat.

Jetzt ist alles offen. Zunächst war das Bio-Gemüse im öffentlichen Verdacht. Irgendwie glaubte man ja noch an die Mähr, dass Biobauern fröhlich ihre Gülle über ihre noch fröhlicheren Möhren sprühen. Jetzt musste man lernen, dass dem gar nicht so ist. Auch Biohöfe sind moderne Unternehmen, die sich auf ein Fachgebiet spezialisieren. Die haben meist gar keine Kühe, wenn Gemüse angebaut wird. Und verboten ist das Düngen mit Gülle obendrein auch noch.

Sollten dann etwa die holländischen Gewächshäuser …? Erleichterung macht sich breit, als spanische Gurken endlich offiziell als Feind angeprangert werden. Prima, die Lösung kann so einfach sein – keine Gurken mehr und alles ist gut. Da wird so mach einem die Rohkost im Halse stecken geblieben sein, als man einige Tage später erfahren musste, dass bewusste Gurken zwar auch Bazillen trugen – aber leider die falschen. Spanien klagt gegen Deutschland und weite Teile der Bevölkerung stellen ihre Ernährung um.

Die von EHEC-Erkrankten ausgefüllten Fragebögen ergaben einen leicht erhöhten Konsum von Gemüse und Blattsalaten. Aufgrund dieses Ergebnisses wird nun offiziell vor dem Verzehr von diesen Lebensmittelgruppen gewarnt. Trotz Rehabilitierung der Gurke servieren die meisten Restaurants derzeit keine Gurken und Tomaten, wohl aber andere Salate. Es wird spannend sein zu sehen, wie lange dieser Zustand anhält und wann die Gurke wieder auf den Salat darf.

Aber was essen wir nun derweil – und was essen wir vor allen Dingen nicht mehr? Die Salat- und Convenience-Theken der Supermärkte tragen Schilder auf denen die Marktleitung persönlich versichert, dass alle Hygiene-Vorschriften eingehalten wurden und das Gemüse geprüft wurde.Verschafft das Sicherheit? Immerhin kommen die Bakterien ja nicht in die Nahrung, weil sich jemand nach dem Toilettengang nicht die Hände gewaschen hat und anschließend den Krautsalat hobelt.

Händewaschen ist jetzt aber das Stichwort der Stunde. Die ratlosen offiziellen Stellen legen der Bevölkerung häufiges Händewaschen nahe, da der Erreger auch von Mensch zu Mensch per Schmierinfektion übertragen werden kann. Da trifft es sich gut, dass in den meisten Büros und öffentlichen Gebäuden noch aus Zeiten der Schweinegrippe etliche Behälter mit Handdesinfektionsmittel dümpeln. Die kann man dann ja jetzt endlich aufbrauchen.

Natürlich gibt es immer Menschen, die sich von so etwas nicht Bange machen lassen und eine sehr entspannte Das-betrifft-mich-nicht-Mentalität entwickeln. Vielleicht haben sie auch gar nicht so unrecht? Wahrscheinlich ist die bundesweite Gefahr, in den nächsten 7 Tagen von einem Auto überfahren zu werden, immer noch höher, als sich mit EHEC zu infizieren. Aber die Einschläge kommen näher und die Hamburger Krankenhäuser sind hoffnungslos überfüllt und überfordert. Ganze Populationen von figurbewussten Büro-Frolleins stehen mittags ratlos bei Aldi, da der Salat-Cup von Trader Vic´s nun nicht mehr in Frage kommt. Verunsichert kehren sie dann mit einigen Paketen Press-Putenwurst und einer Dose grünen Bohnen an den Schreibtisch zurück.

EHEC sorgt fast bei jedem auf die eine oder andere Art für eine Änderung der täglichen Gewohnheiten. Ich überbrühe neuerdings die Äpfel für meinen Sohn mit kochendem Wasser und frage mich dabei die ganze Zeit, was ich da eigentlich tue. Immerhin gibt mir so etwas zumindest das Gefühl, irgendetwas zu tun. Der Kleine freut sich allerdings, dass Mama nicht mehr mit Obst und Gemüse winkt, wenn er nach einem kleinen Snack fragt. Wer will schon ein Kind mit versagenden Nieren – da greift man doch lieber direkt  zur total durch- und totproduzierten aber nun gefahrlosen Milchschnitte. Wie schnell sich die Perspektiven doch ändern können!

Des einen Freud des anderen Leid – die Fleisch- und TK-Industrie dürfte in den nächsten Wochen auf jeden Fall einen Zuwachs im Abverkauf verzeichnen.

Und: Blanchiertes mit Biss ist out, das durchgekochte Gemüse der 60er erlebt eine Renaissance und Salate aus gekochten Zutaten werden auf einmal total interessant. In den nächsten Posts gibt´s entsprechende Rezepte. Ob frische Petersilie als Topping in Frage kommt, muss dann jeder selbst entscheiden.