Geburtstagsgurke

Die Geburtstagsgurke

Wenn man abends auf dem Sofa sitzt und das latente Gefühl hat, dass irgendwas angebrannt riecht, ist das alarmierend. „Brennt etwa der Eintopf an?”, frage ich den Mann, der sich direkt mal flugs auf den Weg in Richtung Küche macht. Ergebnislos. „Nö, alles ok mit dem Eintopf”. Hm.

Drei Minuten später ist der Geruch noch etwas intensiver geworden. Die Nachbarn wahrscheinlich, denke ich bei mir. Und: In den Hausflur lüften ist doch echt beknackt.

10 Minuten später mache ich mich selber auf den Weg in die Küche, um den wunderbaren, auf dem Herd blubbernden Steckrübeneintopf final abzuschmecken. Ganz schön heiß hier, denke ich und drehe die Heizung ein bisschen runter. Ist ja wie im Backofen hier. …

Backofen. Backofen? BACKOFEN!!!

Da die Innenbeleuchtung von unserem Rommel vor einiger Zeit den Weg aller Glühbirnen gegangen ist, kann ich nicht viel sehen – nur die kleine Funktionsleuchte grinst mich im Dunkeln hämisch und rot an.

Im Ofen ist der Geburtstagskuchen vom Mann … ich schaue auf die Uhr. 21:45.

„Nein, nein, nein, neeeiiiiiin!”, denke ich. Ich habe den Kuchen im Ofen vergessen! In einer Millisekunde überwinde ich den knappen Meter zu Rommel, reiße die Klappe auf, verbrenne mir kurz die Hand und reiße das Blech dann doch lieber mit einem Geschirrtuch aus dem Ofen. Vor mir liegt ein verdorrtes, dunkelbraunes Etwas. Verdammt! Das kann doch wohl nicht wahr sein!!! Ich bin so eine dumme Pute! Mir kommen kurz die Tränen.

Über mir höre ich das Universum ausgelassen kichern.

„Ist alles ok bei Dir, Schatz?”, ruft der Mann aus dem Wohnzimmer. Ich muss mich kurz sammeln und flöte zurück „Ja, doch Liebling!”. Dabei ist gar nichts gut. Morgen hat der Mann Geburtstag, es ist fast 10 Uhr abends, alle Läden haben zu und ich habe keine Zutaten mehr im Haus.

„Wann gibt´s denn Essen?”, ruft der Mann. Ich beschliesse, dass das verbrannte Monstrum erst einmal wieder im Ofen verschwinden muss. Damit muss ich mich später befassen. Konzentration auf das Wesentliche: unser Abendessen.

Ich probiere den Steckrübeneintopf und habe spontan wieder Anlass zu Tränen: Der Eintopf ist so scharf, dass ich kurz das Gefühl habe, es würde ein Strom Magma meiner Speiseröhre hinunterfliessen. Das Ding zieht einem sprichwörtlich die Schuhe aus. Dabei habe ich doch nur ein winzig kleines Stückchen von der Habanero-Chili in den Topf getan! Das Universum wälzt sich vor Lachen auf dem Fußboden. Egal – mit der Haltung einer Jeanne dÁrc klemme ich mir einen Becher Saure Sahne als Gegengewicht zum Scharfen unter den Arm und  trage den Topf ins Wohnzimmer.

Fünf Minuten später zieht der Mann seine Jacke an und macht sich auf den Weg zur Tanke, um sich ein essbares Ersatzabendbrot zu besorgen. Er bringt Mini-Salami in der Aluverpackung mit. Mir ist elend. Unter anderem auch, weil ich inzwischen den Eintopf aus Trotz aufgegessen habe.

Ich rede mir ein, dass der Kuchen doch vielleicht gar nicht so schlimm ist und in der Morgenröte eines neuen Tages betrachtet durchaus essbar erscheinen könnte. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Bekanntlich.

Heute Morgen um 6:42 Uhr sieht mein Hefeherz nicht nur immer noch genau so schrecklich aus, wie am Abend zuvor – es hat sich über Nacht zusätzlich die attraktive Konsistenz einer Betonsäule zugelegt. Es ist so hart, dass ich es trotz diverser Hilfsmittel nicht fertigbringe, die Geburtstagskerzen in das Dingen zu stecken.

Ein Geburtstag ohne Kuchen UND ohne Kerzen? Der Mann wird sofort die Scheidung einreichen! Und das zu Recht.  Ich brauche einen Ersatz für die Kerzen …

Epic Fail Geburtstagskuchen

10 Minuten später haben das Kind und ich uns vor dem Geburtstagstisch mit den brennenden Kerzen aufgebaut und singen Happy Birthday für den Mann. Der Mann klatscht Beifall und betrachtet angelegentlich die Aufbauten auf dem Tisch.

„Oh, eine – äh – Geburtstagsgurke … ?!” Ich finde gut, wie es ihm im letzten Moment gelingt, nicht laut loszuprusten. „Ah, und was ist das da? Ein Kuchen? Ist der eventuell etwas kross geraten?” Er versucht mit voller Kraft, ein Stück Beton Backwerk abzubrechen, lässt es dann aber doch lieber bleiben. Der Mann beömmelt sich sehr.

„Gestern wohl nicht so ein gutes Küchen-Kharma gehabt, hm?”

Ich schäme mich sehr. Und er findet das süß.

Trotzdem Happy, Happy Birthday, bester Mann von allen!

PS: Wenn irgendein multinationaler Konzern diese fantastische Geburtstagsgurke eventuell  ganz groß für Diätwillige rausbringen will – die Lizenz wäre im Moment recht günstig zu haben.