Da steht sie und guckt mich an. Mitten auf dem Wohnzimmertisch. Die No. 0549. Schluck! Eine der 1.000 Flaschen Star of Bombay Limited Edition auf dieser Welt. Ich schaue sie an und lasse eine Fingerspitze über die filigran verschlungene Lasergravur auf dem Glas gleiten. Das gold bedruckte hellblaue Seidenpapier in dem Karton zu meinen Füßen raschelt irgendwie selbsttätig very englisch. Ich starre … ehrfürchtig. Es ist ein stummes Zwiegespräch. Zwischen der No. 0549 und mir.
Als wir aus dem Urlaub kamen, stand ein unscheinbares, rechteckiges Paket in dem Eckchen Hausflur zwischen Fahrrad und Roller vor unserer Tür. Während wir diverse Koffer über die Türschwelle wuchten, habe ich das erstmal glatt übersehen. Das Kind ist darauf gekommen: Mama, ein Paket – bestimmt für dich. Jau. Für mich. Aus London. Ach was. Aufgemacht, ausgepackt, beiliegendes Anschreiben gelesen und in Paralyse gefallen.
Mit teurem Zeug bin ich richtig schlecht – so habe ich auch schon mehrere Witwen um die Ecke gebracht
Mit teurem und limitierten Zeug bin ich schlecht. Richtig, richtig schlecht. Grottenschlecht. Irgendwie habe ich grundsätzlich das Gefühl, sowas immer für DEN richtigen Moment aufbewahren zu müssen. Wenn nötig auch jahrelang jahrzehntelang. Denn diese richtigen Momente sind ja eher rar. Ja, ich weiß – das ist total spießig. Aber ich komme aus dieser Nummer nur sehr schlecht raus. So habe ich auch schon mehrere Witwen um die Ecke gebracht. Die prickelnden Champagner-Damen lagen so lange auf meiner Kommode und wurden liebevoll beäugt und getätschelt, bis sie sich dann im entscheidenden Moment (der häufig – boah Klischee! – mit Schaumbädern in Badewannen zu tun hatte) als bernsteinfarbene Plörre mit Sherry-Attitüde entpuppten. Witwen-Mord durch Ausharren. Schrecklich!
Jedes Mal schwor ich mir, dass ich beim nächsten Mal das Zeug wirklich und direkt auf Ex köpfe und kippe. *Peeeep* auf die Schaumbäder! Auch ein mittellprächtiger, dunstiger Dienstagabend ist perfekt für ein Gläschen Luxus. Is doch so. Soweit die Theorie.
Mein andächtiges Starren wird von dem Mann unterbrochen, der mit Haifischgrinsen und passenden Gläsern in der Wohnzimmertür auftaucht. „Ein Schlückchen?” gurrt er. Der Mann hat kein Problem mit seltenem Zeugs. Und er hat sogar die passenden, aufreizend klimpernden Eiswürfel dabei. Geschmeidig nähert er sich der Flasche.
Der Drops ist gelutscht – die Flasche ist offen
„Ich hab das gerade mal im Internetz nachgeschaut”, erläutert der Mann beiläufig und wiegt die Buddel sanft in der Hand. „Star of Bombay ist in der gerade eröffneten Bombay Sapphire Destillerie in Laverstoke Mill, Hampshire von Hand hergestellt. Das ganze ist eine Miniserie, die durch eine langsameren Destillation und eine besondere botanische Mischung mit Bergamotte und Ambrette-Samen ein ganz besonders intensives Aroma haben soll.
Und außerdem ist man besonders stolz darauf, dass die handverlesenen Zutaten aus allen unmöglichen Ecken der Welt stammen.” „Äh ja, das hatte ich auch gerade schon gelesen.” „Ich bin sehr gespannt! Willst Du sie aufmachen oder soll ich …?“ Der Mann macht ernst. Ich nicke ihm zu. Ein Strahlen geht über sein Gesicht und dann höre ich, wie er die Flasche öffnet. Dann schenkt er mit leisem Gluckern ein. „Madam, Ihr Gläschen 5-Uhr-Gin.” Er gibt den betont distinguierten Butler und serviert mit einer kleinen Verbeugung die Drinks. Ich nehme das kühle Glas in die Hand. Zum Teufel mit der Psychologie.
Der Drops ist gelutscht – die Flasche ist offen. Ich kann mich wieder entspannen und amüsiere mich über mich selber. So machen wir das jetzt einfach immer. Der Mann köpft die Raritäten für mich und ich wasche meine Hände ganz entspannt in Unschuld. That´s a plan, isn´t it? Cheers!
PS: Danke an Bombay Sapphire für die unverhoffte Zusendung des Star of Bombay und die dadurch spontan ausgelöste Aufarbeitung eines meiner überaus spießigen Persönlichkeitsmerkmale.
PPS: Die fachmännische Geschmackswertung sowie Tonic-Empfehlung durch den Mann folgt. Hat er versprochen.
Ja was?!
Ich denk’ jetzt kommt hier noch das ultimative, völlig neue, innovative und geschmackssensorisch absolut einzigartige GinTonic-Rezept?! Frau Buml,
watt is?
Und im Übrigen bin ich gerade massiv neidisch auf Deinen Göttergatten!
Und vor allem: Wie schmeckt denn das Zeug??
Und wie schmeckt er? Kannst Du tatsächlich Bergamotte herausschmecken? Habt ihr ihn nur pur auf Eis probiert, oder auch mit einem Tonic? Wenn ja, welches empfiehlst Du zu diesem Gin?
Oh mein Gott!
Oh mein Gott!
Oh mein Gott!
Mir wäre es ganz genau wie dir gegangen und ich kann jedes Körnchen Emotion nachfühlen!
Cheers Madame Mel!
na dann PROST
DER Moment ist da, wir kommen gleich vorbei! Habt Ihr noch ein Tröpfchen in der Buddel?
Super, wie Du das schilderst – mir geht’s ja genauso, dass ich manches einfach zuuu lange aufhebe. Männer sind da pragmatischer. Und der Gin klingt klasse!