Israel Totes Meer Baden Reisebericht | GourmetGuerilla.de

Ein skurriles „Totes Meer goes Ballerman Erlebnis“ und der schönste Blick der Welt. Ein Reisebericht. {Travel Israel} 

Ich starre fassungslos auf die künstlichen grünen Rasenflächen – hunderte Menschen quetschen sich darauf zusammen. In den beiden runden blauen Pools sieht man eigentlich gar kein Wasser, sondern nur ein Meer von Köpfen. Ein Wasserball fliegt dicht an meinem Kopf vorbei. Kinder kreischen. Aus verschiedenen Lautsprechern klingt lauter Techno-Rums-Bums. 10 Meter weiter wird mit erstaunlicher Qualm-Entwicklung ein Grill angezündet. Der Lärm und das Gewusel sind unbeschreiblich und betäubend.

Und da ist auch schon wieder das unvermeidliche Foto-Kamel auf dem sich gerade ein krebsrot verbrannter, nur mit einer Speedo bekleideter Herr mit Whiskeyglas und brennender Zigarre in Positur wirft. Lauft ruft er auf Russisch seinen Begleitern etwas zu. Die brechen in röhrendes Gelächter aus, während der Herr versucht, seinen äußerst stattlichen Bauch trotz Whiskey und Zigarre auf dem unwillig schwankenden Kamel zu halten.

Nur mit einer Speedo bekleidet, mit Zigarre und Whiskey auf dem Fotokamel

Keine Frage – ich bin gerade in einem meiner persönlichen Albträume aufgewacht. Dabei bin ich doch am Toten Meer! Dem magischen biblischen Ort, an dem unter anderem Lots Frau zur Salzsäule erstarrt ist und auch Kleopatra ihre weltbekannte Schönheit pflegte. Und jetzt dieses Baggersee-Desaster mit schlimmster Mallorca-Atitüde. Das hatte ich mir alles so ganz anders vorgestellt … tja, aber wie eigentlich?

Ich gehe hiermit zu: Ich bin eine unvorbereitet reisende Reisende. Ich stöbere vorher nicht wochenlang durch Blogs oder TripAdvisor. Ich bestelle keine ausgefallene Geheimtipp-Nachschlagewerke, um die tollsten Plätze, Restaurants, oder öffentliche, von Designern gestaltete Toiletten auf Listen mit Tagesplänen zu setzen. Und ich spioniere nicht vorher die gesamte Route bei Google Earth oder Streetview aus. Meistens kaufe ich am Flughafen zur groben Orientierung das absolute Standardwerk mit Namen eines italienischen Seefahrers. Der Rest ergibt sich von selbst. Der Mann und ich lieben Roadtrips und Entdeckungen und bisher haben sich die allerschönsten Erlebnisse immer vor Ort durch Zufälle und Tipps von Einheimischen ergeben. Dieses Mal hat diese Methode aber wohl eine kleine Schwäche gezeigt. Ächem.

Jetzt stehe ich hier also wie Lots Frau und frage mich, wie ich die nächsten Stunden überstehen soll. Und wo – zum Kuckuck – denn nun dieses Tote Meer ist. Schimmert es da nicht blau durch die Palmen? Ich arbeite mit vorsichtig durch die Kunstrasen-Area – und dann ist es doch noch da: das Tote Meer. Groß, imposant und überraschend  tief unter mir breitet sich der größte Salzsee der Erde aus. Und da sind auch tatsächlich Menschen im Wasser – aber viel weniger! Da muss ich hin!

Die Oberfläche des Toten Meeres sinkt jedes Jahr um gute 1,70 Meter

Kurze Zeit später habe ich die Sammelumkleide hinter mir gelassen und mache mich im Badeanzug an den Abstieg zum See. In Etagen gelangt man über Treppen hinunter zum Wasser. Die Oberfläche des Toten Meeres sinkt jedes Jahr um gute 1,70 Meter – und hinterlässt dabei diese natürlichen Stufen. Berechnungen sagen voraus, dass in 300 Jahren an dieser Stelle kein See mehr sein wird. Ich gehe unwillkürlich ein wenig schneller. Auf einer größeren Etage stehen Sonnensegel und weiße Plastikstühle. Ob hier vor 20 oder 30 Jahren noch das Seeufer begonnen hat? Die Sonnenschirme verströmen auf jeden Fall ein pittoreskes 70er-Jahre Postkarten-Flair.

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Dann stehe ich und staune. Und kann mich nicht sattsehen. Links erstreckt sich die Wüste, in der gerade mal wieder ein paar imposante Sandstürme unterwegs sind – man kann die gelben Riesenwolken auch auf große Entfernung über dem kargen Land tanzen sehen. Am Ufer gegenüber die Gebirgszüge, die zu Jordanien gehören. Nur ein oder zwei winzige Bauwerke kann ich an der anderen Uferseite ausmachen. Und rechts der Blick auf den unendlich erscheinenden See … bis zum Horizont.

Ein Hauch von Ewigkeit weht mich an.

Auf einmal fällt mir auf, dass ich die Techno-Klänge und Menschenmassen hinter mir gelassen habe. Es ist still, der Himmel ist unglaublich blau, die Sonne übergießt alles mit blendenden Strahlen und ein leichter Wind bringt Erfrischung. Es ist wunderschön! Diese Weite. Und diese Farben. Alles ist so klar und definiert, als gäbe es hier eigentlich nur drei Elemente: Sand, Wasser und Stein. Kein Grün. Keine Zwischentöne. Ein Hauch von Ewigkeit weht mich an.

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Ich kapere einen der weißen Plastikstühle unterm nächsten Sonnensegel, lasse Tasche und Schuhe zurück und mache mich weiter an den Abstieg zum Seeufer. Der Boden unter meinen Füßen ist heiß und irgendwie sonderbar weich. Es ist der berühmte dunkle Mineral-Schlamm aus dem Toten Meer, festgebacken zu braunen Uferbänken. Ich überwinde hoppelnd die letzten – plötzlich sehr heißen Meter – und dann bin ich drin im Toten Meer.

Das Wasser ist warm und fühlt sich ganz weich und überraschend ölig an. Dafür sorgt der extrem hohe Satzgehalt von 30%, der im See kein Leben zulässt, aber Linderung bei vielen Hauterkrankungen bringen soll. Allerdings wird einem auch schnell klar, an welchen Stellen man eventuell gerade kleine Blessuren oder Schrammen hat – es brennt für kurze Zeit höllisch! Mimimimimi! Keinesfalls sollte man das Wasser übrigens in die Augen bekommen oder schlucken. Oder neugierig probieren, wie salzig es eigentlich wirklich ist. Das habe ich jetzt ein für alle Mal für euch erledigt und das müsst ihr nicht mehr tun. Kleinste Mengen des Salzwassers führen übrigens sofort zu ausgeprägtem Würgereiz.

Ich lasse mich treiben und genieße den wunderbaren Blick in Weite.

Der Auftrieb des Wassers ist allerdings absolut genial. Ganz ohne Mühe treibt man wie ein unsinkbarer Korken auf dem Wasser – Entspannung pur in einer Fast-Schwerelosigkeit. Ich lasse mich treiben und genieße den wunderbaren Blick in Weite. Die Landschaft ist in ihrer Kargheit einfach wunderschön. Glück durchströmt mich – es ist wunderbar, hier zu sein. An diesem besonderen  Ort, der schon vor so vielen tausend Jahren Menschen angezogen hat und der so oft in den ältesten Schriften der Welt auftaucht. Wie es wohl zu Jesus Zeiten hier aussah? Es kann sehr gut sein, dass weite Teile der Landschaft vor 2.000 Jahren noch von blühenden Dattelhainen überzogen war. Im nahe gelegenen Qumran hat man bei Ausgrabungen Millionen von Dattelkernen gefunden. Heute sieht das Tote Meer an dieser Stelle aber im wahrsten Sinne des Wortes biblisch aus.

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Es ist zwar sehr verlockend, ewig friedlich im Toten Meer zu dümpeln. Aber es ist auch sehr gefährlich. Schnell unterschätzt man die durch den Salzgehalt des Wasser multiplizierte Kraft der Sonne – schlimmste Sonnenbrände drohen. Ich will vernünftig sein und verlassen trotz Sunblocker nach 30 Minuten das Wasser und dusche ausgiebig mit Süßwasser. Am Ufer reiben sich ein paar Badegäste begeistert und ausgelassen mit dem dunklen Schlamm vom Seeboden ein. Hier gibt es ihn umsonst – später wird er abgepackt im Souvenierladen in keinen Beutelchen für 15 Dollar angeboten. Bei meinem Aufstieg zurück zum Sonnensegel sehe ich dann krebsrote Körper, die so stark in der Sonne leuchten, dass ich zunächst annehme, auch sie wären angemalt. Aber dann wird mir klar, dass dass definitiv der stärkste Sonnenbrand ist, den ich je gesehen habe! Schnell werfe ich mich in meinen Plastikstuhl im Schatten und bemitleide die armen Teufel ausgiebig. Die werden sicherlich wochenlang nicht richtig sitzen, stehen und liegen können.

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Auch  von meinem Platz unter dem Sonnensegel ist die Landschaft immer noch grandios. Ich beobachte eine indische Reisegruppe, die sich von der Kunstrasen-Area kommend, an den Abstieg zum Ufer macht. Die Damen tragen alle lange traditionelle Badekleider aus Baumwolle. Was die sich wohl beim Anblick von Klein-Baggersee weiter oben gedacht haben? Ich denke noch einmal über das seltsame „Privatbad” mit Techno-Mucke und Grillbereich nach. Als Privatbad wurde es zumindest in der Beschreibung ausgelobt. Und es macht ja auch total Sinn. Das Tote Meer ist kein lustiger See, an dessen lauschigen Ufern man nach Belieben ins Wasser steigen kann. Es ist – zumindest im Norden – von unüberwindbaren wüstenartigen Geröllfeldern umgeben. Nach dem Baden im See benötigt man unbedingt Süßwasser, um das extrem salzhaltige Wasser abzuwaschen. Schatten ist absolut notwendig. Und für kleinere Kinder ist das Tote Meer absolut nicht zu empfehlen – zu groß ist die Gefahr, dass Wasser in die Augen kommt oder geschluckt wird. Das Geschrei will man sich gar nicht ausmalen! Pools, in denen die ganze Familie Spaß haben kann, sind also eine prima Idee.

Israelis sind sehr lebensfreudig, laut und quirlig. Und grillen extrem gern.

Und heute ist Shabbat – das Wochenende in Israel. Natürlich kommen dann viele Familien der Umgebung hier zusammen, um zu baden und zusammen Spaß zu haben. Israelis sind grundsätzlich sehr lebensfreudig, laut und quirlig. Und sie grillen extrem gern. Fertig ist die perfekte Schock-Situation für Nordeuropäer mit falschen Vorstellungen von einsamen Stränden am Toten Meer. Ich muss über mich schmunzeln. Ich genieße versöhnt noch ein Weilchen den Ort und den Blick. Dann ist es Zeit, wieder in den Mini-Bus zu steigen, der uns nach Tel Aviv zurückbringt. Mit einer so babyweichen Haut, wir ich sie so schnell wahrscheinlich nicht mehr haben werde. Und einem – trotz alle Vorsichtsmaßnahmen – leichten Sonnenbrand.

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Der Besuch am Toten Meer war Bestandteil einer Tagestour nach Jerusalem, Jericho und Qumran. Die Tour ist buchbar unter Tourist Israel.

Hier habe ich euch übrigens 12 praktische Tipps mit Dos und Don`ts für Reisen ins wunderbare Israel und ans Tote Meer zusammengestellt.