Ein Sonntagmorgen Ende August in Nova Scotia, Kanada. Unsere kleine Blaubeerreisegruppe klettert auf einem improvisierten Parkplatz irgendwo auf einem Feld aus den riesigen, schwarzen Autos, mit denen wir hier standesgemäß unterwegs sind. Kleine Autos gibt es in diesem Teil von Kanada so gut wie nicht – die Distanzen, die man zurücklegen muss, sind enorm und die Karren entsprechend groß und robust.

Heute haben wir bereits wieder eine gute Dreiviertelstunde Autobahnfahrt hinter uns. Das kann man nach hiesigen Maßstäben gut und gern noch als erweitere Nachbarschaft betrachten. Und in dieser Nachbarschaft wollen wir uns ein Wohltätigkeit-Picknick, lokale Lebensmittel an einem vielgerühmten Ort namens Masstown Market und einen blauen Hummer anschauen. Wie sind gespannt – auf geht´s!

Der Himmel ist grau-verhangen und es ist knallheiß und schwül. Diese starke Kombination muss man erst mal kurz verarbeiten. Wir nähern uns daher langsam dem restaurierten Farmhaus, in dem die Gemeinde heute ein Wohltätigkeits-Picknick zu Gunsten hungernder Menschen in aller Welt veranstaltet: das Harvest 4 Hunger Picnic.

Wir werden sehr herzlich begrüßt und beobachten mit schockierter Faszination, wie sich unmittelbar ein Schwarm Mücken um den Kopf des Herrn formiert, der uns etwas zu den Hintergründen des Picknicks erzählt. Die Mücken umkreisen gut sichtbar die Stirn, lassen sich dann ganz entspannt darauf nieder, werden kurz mit einer Handbewegung verscheucht und landen sofort darauf wieder auf ihrem Opfer. Ein bemerkenswertes Schauspiel. Mücken und Mann sind offenbar bestens aufeinander eingespielt. Das ganze ist so faszinierend, dass es einen sehr langen Moment bracht, bis wir schnallen, dass die Mücken sich nicht nur für den Herrn interessieren. Sie sind geradezu begeistert von einer Horde Blaubeerblogger, die natürlich keinen Fatz daran gedacht haben, sich mit Mückenzeugs einzureiben. Ich rolle die langen Ärmel (großartig!) von meinem leichten Fähnchenkleid (wunderbar!) herunter und könnte mich küssen, dass ich zufällig genau diese Kombi angezogen habe. Zusammen mit einer langen Leggins die perfekte Ausstattung bei kanadischer Mücken-Hitze. Jetzt muss ich nur noch meine Stirn verteidigen.

Das Harvest 4 Hunger Picnic ist auf der Wiese hinter dem Farmhaus aufgebaut. An vielen kleinen Ständen kann man lokale Snacks gegen die Tickets eintauschen, die drei sehr alte, sehr reizende Damen mit lila Haaren am Eingang verkauft haben. Es gibt gerösteten Mais, Bratwurst, Shortcake mit Wilden Blaubeeren und – grandios! – Wildes Blaubeeren-Eis. Obwohl das Frühstück noch nicht so lange her ist, muss erst mal eine Runde Eis für alle her. Ist doch klar. Inzwischen haben sich die grauen Wolken auch verzogen und die Sonne strahlt für uns. Und wir strahlen auch – das Eis ist köstlich!

Kurz überlegen wir, ob wir uns jetzt noch von der Ponykutsche ziehen lassen wollen. Aber wir haben einen Zeitplan – Masstown Market wartet auf uns.

Ungewöhnlicher Weise lassen wir unsere Riesenautos mal stehen und gehen ein Stück zu Fuss. Masstown Market liegt nur ein paar hundert Meter von unserer Picknick-Location entfernt. Allerdings gucken die Leute aus den vorbeifahrenden Pickups ganz schön seltsam, wenn man als Fußgänger versucht, die Straße zu überqueren. Vermutlich haben sie alle überlegt, ob sie anhalten und uns armen auto- und klimaanlagenlosen Irren ihre Hilfe anbieten sollen.

Aber nach 5 Minuten sind wir auch schon da. Masstown Market wurde als echter Hotspot der Gegend angekündigt. Tatsächlich entpuppt sich das ganze als mittelgroßer Bau mit Wellblechfassade. In dem Supermarkt mit angeschlossener Klamotten- sowie Geschenkartikelabteilung und Selbstbedienungsrestaurant ist schon eine Menge los. Da es ja bekanntlich nichts Schöneres gibt, als in anderen Ländern in Supermärkten zu stöbern und die Leute anzugucken, sind wir während der nächsten Stunde erstmal schwer beschäftigt.

Zwischen dem ganzen lokalen Obst und Gemüse dann Wilde Blaubeeren galore! Hier nicht nur als pralle, frische Beeren und süße Teilchen, sondern auch als Körper-Lotion. Wilde Blaubeeren sind hier einfach allgegenwärtig.

Die Bloggercrew muss daraufhin direkt erstmal ein kleines Shooting einlegen. Ein wunderbar verwitterter Picknicktisch auf der Wiese hinter dem Masstown Market schreit geradezu danach. Kurz werden Berechnungen angestellt, was es wohl theoretisch kosten würde, wenn man den Tisch absägen und nach Deutschland verschiffen … Konzentration auf die Blaubeeren Jungs und Mädels! Knipsen und Naschen – hier wird alles gegeben. Und ein bißchen Schwund gibt´s natürlich auch immer, wenn Blaubeer-Äkschenfuilme auf dem Tisch stehend gedreht werden, ne.

Möööp! Blaubeerbruch. Selbstverständlich haben wir in Kleinstarbeit jeden Fitzel Glasscherben und Blaubeeren aufgelesen. Und als dann noch eine sehr freundliche Angestellte mit einer Gießkanne voll Wasser gegen unsere Blaubeerfürze auftaucht, sieht der Picknicklatz wieder aus wie neu. Als gerechte Strafe sind inzwischen allerdings wieder dicke, graue Wolken aufgezogen und es ist wieder wahnsinnig schwül. Uff!

Gott sei Dank wartet auf der Terrasse von Masstown Market der tolle Nery mit den schönsten Dingen der Welt auf uns: gekühltes Wasser und Mückenschutz. Dazu gibt es ein kleines Picknick mit – na klar – noch mehr Blaubeeren: Salat mit Blaubeerdressing, süßte Blaubeerteilchen und richtig echte Labbertoast-Sandwiches mit dickem Belag. Köstlich!

Dann treffen wir kurz den Besitzer von Masstown Market, der das Unternehmen in der der 3. Generation führt. Seine Großeltern haben for ewigen Zeiten genau hier mit einem kleinen Marktstand mit Obst und Gemüse angefangen. Heute ist Masstown Market zu einer richtigen Institution geworden: Leute aus der ganzen Umgebung kommen hierher um Lebensmittel einzukaufen, ein Picknick zu machen oder im Restaurant zu essen. Die Eiscreme ist berühmt und wird als riesige Kugeln auf Waffeln getürmt. Leute aller Generationen treffen sich auf dem Parkplatz, kommen in ihren riesigen Trailern (ganze LKW-Wohnanhänger, die von Pickups gezogen werden), präsentieren ihre Motorräder, quatschen, tauschen Neuigkeiten aus oder machen sich einfach einen netten Nachmittag. Direkt vor uns wackeln zwei alte Ladies mit ihren Einkäufen zu ihrem Auto und machen dann erstmal ein kleines Päuschen mit Blaubeerteilchen.

Wenn man etwas länger auf der Terrasse sitzen bleibt, sich die total unterschiedlichen Menschen anschaut und das trubelige Treiben auf sich wirken lässt, versteht man plötzlich, warum diese Mischung aus Nahrversorung und sozialem Treffpunkt ein echter Hotspot ist. Daily Live in Nova Scotia – total lebendig und in Farbe.

Die grauen Wolken lassen auf einmal richtig los und ein heftiger Platzregen vertreibt Teile von uns kurz nach drinnen. Nic, Mirja und Ricarda bleiben trotzdem hart am Blogger-Ball. Jens klemmt mit mir traulich unter einem Sonnenschirm (der eine Zeitlang auch echt gut gegen Regen funktioniert) und Nicole ist vermutlich schon wieder in Richtung Eistheke unterwegs.

Zum Schluss gibt es noch einen Abstecher auf die andere Strassenseite. Catch of the Bay heißt das beliebte Fischrestaurant, das alle möglichen lokalen Meeresprodukte verkauft und auch direkt zubereitet. Auf der großen Außenterrasse kann ganz entspannt sitzen und seinen Catch geniessen.

Bei den Hummern im Becken wird mir ja immer ein bisschen mulmig – auf so kleinem Raum und mit zusammengebundenen Scheeren, ach herrje. Immerhin tröstet mich hier ein bißchen, dass die Hummer direkt von der lokalen Küste stammen und keine weite Reise hinter sich haben. Also echtes local Food. Denn kein Punkt in Nova Scotia mehr als 56 km vom Meer entfernt. Unter den Tieren ist übrigens auch ein sehr, sehr seltenes und kostbares Exemplar: ein blauer Hummer. Für die hummerverrückten Nova Scotianer ein besonderer Grund, auf einen Sprung im Catch of the Bay vorbeizuschauen.

Das Abendessen ist heute in einer anderen, besonderen Location vorgesehen – daher müssen wir dann wieder in unsere Autos klettern und uns auf die Autobahn werfen. Aber davon soll ein anderes Mal erzählt werden.

Meine Tipps für Ausflugsziele in Nova Scotia: